Nun ist die Onlineversion eines ausgiebigen Features im New York Times Magazine über Neue Rechte, AfD, Alt-Right und Schnellroda erschienen, zu dem ich unverhofft beitragen “durfte”.Ursprünglich war das Ganze wohl als Stimmungsbild des zu erwartenden “Rechtsrucks” bei der Bundestagswahl am 24. September gedacht, ist aber erst jetzt veröffentlicht worden – die Printfassung wird erst am 15. erscheinen.
Dabei scheint man in der Redaktion deutlich in Verzug geraten zu sein: Der zuständige Fact checker, ein gewisser Alex Carp, kontaktierte mich erst wenige Tage vor Erscheinen des Onlineartikels, um die noch offenen Fragen und Zitatstellen zu klären. Derlei ist natürlich oft Kalkül, um die Befragten unter Zeitdruck zu setzen und so verwertbare Lapsus zu kreiren; es gab jedoch nichts schönzufärben, und die erwartbaren Suggestivfragen haben mich nicht sonderlich berührt.
Ehrlichkeit entwaffnet – Frechheit siegt
Überhaupt kam es mir schon im (auf Englisch geführten) Gespräch mit dem Journalisten James Angelos so vor, als sei die etablierte Journaille nicht nur hierzulande, sondern auch in Übersee überhaupt nicht darauf eingestellt, daß man ihr nicht nur beschwichtigend, sondern auch positiv-bejahend und selbstbewußt gegenübertreten könnte. »[H]is answer was surprisingly forthright«, schreibt Angelos über meine Replik auf seine Frage nach dem Wesen des möglichen “Unbehagens” europäischer Neurechter und Identitärer gegenüber der härteren satirischen Gangart der amerikanischen Alt-Right. Nun, es mag ihn in der Tat überrascht haben, daß ich nicht sofort in hysterische Abgrenzungsrituale verfallen bin, aber ebenso verwirrt waren ja seinerzeit die Meinungsverwalter in den deutschen Redaktionsstuben, als man ihnen bei PEGIDA (leider viel zu inkonsequent) kollektiv die kalte Schulter gezeigt hat.
Zu dieser Einschätzung paßt auch, wie verblüfft Angelos war, als ich ihm auf seine diesbezügliche Frage (die es dementsprechend natürlich nicht in die Endfassung des Artikels geschafft hat…) sagte, daß ich abgesehen von einigen persönlichen Bekanntschaften und dienstlichen Überschneidungen nichts mit der Identitären Bewegung am Hut habe und auch nicht haben will. Was sollte daran so schwer zu begreifen sein? Angelos’ unmittelbare Reaktion war, daß ich doch aber aufgrund meines Alters und meiner Tätigkeiten der IB quasi angehören “müsse” – auch eine Form der als “Truthahn-Illusion” bekannten kognitiven Verzerrung, wenn man so will.
Alt-Right und “Neue Rechte” – gewaltige Verschwörung?
Natürlich ist es für Politiker, Journalisten und “Experten”, deren Lebensgrundlage das Warnen und Mahnen vor der unmittelbar bevorstehenden x-ten rechten Machtergreifung ist, sehr bequem und auch notwendig, unablässig auf entsprechende “Netzwerke” hinzuweisen und diesen ein möglichst konspiratives Mäntelchen umzuwerfen. Dabei werden gleichzeitig am laufenden Band “Enthüllungsartikel” zu diesem Thema veröffentlicht – die in der Regel auf Google- und Wikipedia-Informationen basieren, also wenig bis gar keine “geheimen” Informationen beinhalten. Das gilt übrigens für die europäische Neue Rechte ganz genauso wie für die amerikanische Alt-Right.
Dabei kläffen die europäischen und deutschen Hündchen allerdings einmal mehr ihren transatlantischen Herren nach: Die zugrunde liegende Verschwörungstheorie (sofern man denn davon ausgeht, daß auch Liberale in der Lage sind, Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen) von der »vast right-wing conspiracy« ist schon über 20 Jahre alt. Wieder topaktuell wurde sie vor allem dadurch, daß keine Geringere als Hillary Clinton sie im 2016er US-Präsidentschaftswahlkampf aus dem Hut zauberte, um ihren Gegnern (und prophylaktisch allen, die sie nicht wählen würden) zu unterstellen, daß sie sich selbst nolens volens zu Teilen dieser “Verschwörung” machten.
Zum wiederholten Male, muß man der Vollständigkeit halber hinzufügen – exakt das Gleiche hat sie nämlich bereits 1998 getan, um die Affärenvorwürfe gegen ihren Ehemann wegzu”erklären”:
Zum weiteren Umfeld dieses blühenden Opferstolz-Unsinns, auf den selbst die Universität Münster aufgesprungen ist, möge sich jeder selbst belesen. Nichtsdestoweniger ist es offenkundig große liberale Tradition, eigenes Versagen und persönliche Unzulänglichkeiten (und vor allem das Thematisieren von beidem) konspirativen Aktivitäten zuzuschreiben. Spätestens das führt das aktuelle “aufgeklärte” Feststeinbeisen (SCNR) im – wohlgemerkt durchaus vorhandenen und scharf zu entgegnenden – Opferstolz endgültig ad absurdum.
Ein schöner Traum!
Zugegebenermaßen bekommt man gelegentlich große Lust, den für ihre aufwendig gepflegten Wahnvorstellungen viel zu gut entlohnten hauptberuflichen Verdachtschöpfern tatsächlich die (auch international) umfassende rechte Verschwörung zu geben, vor der sie beinahe seit Kriegsende Alarm krähen. Allein, es wird leider nicht klappen.
In jedem Fall war es mir ein Vergnügen, Angelos gegenüber einmal ein paar Sachen klarstellen zu können. In vernünftigem Englisch und ohne argumentatives Winden. Und das, obwohl dieses “Interview” gänzlich ohne Vorbereitung entstand, während eines “Café Schnellroda”. Mitten beim Buchverkauf setzte man mir einfach diesen Mann vor die Nase. Anweisung: »So, jetzt erzähl’ dem mal was.« Im übrigen wird das Einflechten der Alt-Right dem Artikel eine ganze Menge mehr Klicks eingebracht haben, als er mit reinem Deutschland-Fokus bekommen hätte. Alles in allem also kein Verlustgeschäft – für die meisten der Beteiligten. Nachlesen kann man »The Prophet of Germany’s New Right« hier!