“Neue Rechte” in Deutschland vor und nach 1968

Vielfältige »Neue Rechte«: Primär- und Sekundärpublikationen
Lesedauer: 22 Minuten

Anscheinend ist es nicht möglich, binnen Jahresfrist ein mehrmals fest zugesagtes Buch aus fertigen Texten zusammenzufügen. Nun denn also hier mein Vortragstext von der 2018er Herbstakademie von FAV und IfS über das reale Verhältnis “Neue Rechte” zu “1968”!

Dieses Unvermögen ist natürlich ausgesprochen ärgerlich, da seit dem ursprünglichen Vortrag am 17. November 2018 erwartbarerweise noch zahlreiche Male “Neue Rechte”, Alternative für Deutschland u.v.a.m. des Parasitismus an den “Leistungen” der sogenannten Studentenrevolte geziehen wurden. Oder aber, was noch deutlich schlimmer ist, sich letztere albernerweise zum Vorbild erkoren haben. Zumindest werden die hier vorgebrachten Klarstellungen ab jetzt zur Belehrung programmatischer Schaumschläger sowohl innerhalb der “Szene” als auch von der anderen Feldpostnummer dienen können. Voilà!

Notwendige Klarstellungen über die »Neue Rechte« in Semriach

»Neue Rechte« in Deutschland vor und nach 1968

In Ingeborg Bachmanns Geschichtenzyklus Das dreißigste Jahr von 1961, konkret in der darin enthaltenen Erzählung »Alles«, heißt es: »alles ist eine Frage der Sprache«.1

Natürlich ist das eine Binsenweisheit für jeden einigermaßen politisch denkenden Menschen; »politisch« selbstverständlich im Sinne Carl Schmitts, der in seinem Begriff des Politischen (in der Fassung von 1932) ebenso erläuterte, weshalb der Sprachgebrauch eine derartige Bedeutung hat und gleichzeitig so enorm viel über die Intention des Sprechenden verrät: »Erstens haben alle politischen Begriffe, Vorstellungen und Worte einen polemischen Sinn; sie haben eine konkrete Gegensätzlichkeit im Auge, sind an eine konkrete Situation gebunden, deren letzte Konsequenz eine […] Freund-Feindgruppierung ist, und werden zu leeren und gespenstischen Abstraktionen, wenn diese Situation entfällt. Worte wie Staat, Republik, […] neutraler oder totaler Staat usw. sind unverständlich, wenn man nicht weiß, wer in concreto durch ein solches Wort getroffen, bekämpft, negiert und widerlegt werden soll.«2

Wir haben es heute in der medialen Berichterstattung wie auch in staatsmännischen Einlassungen mit einer hochpolitisierten Sprache zu tun, die sich unter dem Deckmantel überlegener Sachlichkeit wesentlich Kategorienverschiebungen und rhetorischer Kunststückchen bedient, um von einer halluzinierten »Konsenskultur« abweichende Standpunkte ins Ghetto des Unzurechnungsfähigen abzuschieben. So wurde in den vergangenen Wochen vor allem »der Populismus« von einem bloßen Modus der Zustimmungsakkumulation, also einer strategischen Vorgehensweise zur Durchsetzung beliebiger Standpunkte, in den Rang einer eigenen Weltanschauung erhoben, die mit den arkanen »westlichen Werten« unvereinbar sei. In der Bewerbung eines »Europäischen Mediengipfels« las sich das so: »Populismus, Protektionismus und Provokationen bestimmen zunehmend die Politik in Europa. Sie sind hilflose und gefährliche Versuche, Antworten auf die Herausforderungen in einer komplexen Welt zu finden. Die Folge: der Westen und seine Werte drohen zu zerfallen.«3

Eine Studie der TU Dresden betonte indes im Herbst 2018, daß »der Populismus« entgegen des medial verbreiteten Klischees längst nicht nur durch die verschärfte Massenmigration nach Europa hinein seit 2015 befördert werde, sondern sich vielmehr aus diversen Quellen speise, darunter »kollektive[] Kränkungs-, Abwertungs- und Deklassierungserfahrungen«4 ebenso wie »Wohlstandschauvinismus«5 und »Ängste vor einer Entwertung der eigenen Lebensweise, der eigenen Kultur und der gemeinsamen Identität als Grundlage kollektiver Solidarität«6. Die Wiener Zeitung mußte – scheinbar völlig überrumpelt – denn auch in einer Überschrift eingestehen: »Populismus geht auch ganz ohne Ausländer«7.

Wer sich davon eine Aufweichung der öffentlich-agitatorischen Front erhofft und Bitten um ein »Mit-uns-Reden«, einen »Verständigungswillen« und die »friedliche« Führung eines »Diskurses« erneuert, verkennt allerdings die Bedeutung dieser Feststellungen: Sie stehen lediglich für eine Ausweitung des diskriminierenden Populismusbegriffs auf alle konfliktträchtigen Themenfelder und bereiten den Boden für weitere Einhegungen derselben durch immer neue »Beauftragte«, »Beiräte« und »Ausschüsse« zu verschiedensten Themen sowie eine gesteuerte mediale Informationsvermittlung – eine »Meinungszucht«.

Was diesen »politisch entpolitisierten« Umgang mit Sprache im Zusammenhang mit dem Thema »1968 und die Folgen« bedeutsam macht, ist der geläufige rhetorische Taschenspielertrick, die Existenz einer wie auch immer konkret definierten »Neuen Rechten« als Gegenöffentlichkeit insbesondere auf die Umwälzungen des öffentlichen Raumes u.a. in Deutschland und Frankreich im Jahre 1968 zurückzuführen.

Dieser Quasi-Plagiatsvorwurf (»[Es gab] eine feindliche Übernahme des Erbes von 1968, und zwar durch den Neoliberalismus. […] Die Rechte tut so, als wäre sie gegen das Establishment gerichtet und wolle eine Revolution. Aber sie imitiert die Revolte nur.«8) ist angesichts der unerwartet hartnäckigen Provokation durch dissidente Gruppen wie die Identitäre Bewegung in verschiedenen europäischen Staaten in den letzten Jahren wieder verstärkt in Umlauf gekommen. Der Sinn dieser Projektion läßt sich auf den simplen Willen zum politischen Machterhalt eindampfen: »Unsere Vorläufer haben als Gegenkultur die hegemoniale Kultur in unserem Sinne verändern können – nun gilt es, unseren Gegnern das Gleiche unmöglich zu machen.«9

Zum Problem wird dieser Vergleich allerdings erst mit seiner affirmativen Übernahme durch »neue Rechte«, die die scheinbaren »Errungenschaften« der linken Studentenbewegung so zu ihrem Raison d’être machen – ob nun als Nachahmer unter anderen Vorzeichen, mit der demonstrativen Zielsetzung eines Roll back oder gar im Sinne eines Amalgams beider Standpunkte, wie es sich bei Wortführern10 und Trittbrettfahrern11 der Identitären Bewegung findet.

So befriedigend eine womöglich gar verhalten wohlwollende Assoziation mit dem »Marsch durch die Institutionen« der Neuen Linken, wie sie zuletzt der Soziologe Thomas Wagner nicht ungeschickt in den Feuilleton einbrachte,12 oberflächlich erscheinen mag: Sie entpuppt sich spätestens dann als geistig-politische Brunnenvergiftung, wenn sie die politische Rechte abseits der ausgetretenen konservativen Parteipfade zu einer rein reaktionären Veranstaltung neidischer Kopisten degradiert – Kopisten einer »Bewegung«, deren tatsächliche (kultur-)revolutionäre Wirkung zunehmend entmythisiert wird13. Daß in der Folge von »konservativen« Roßtäuschern und bestallten Diskursmanagern über die angeblichen oder tatsächlichen Imitatoren gehöhnt wird14, während diese allenfalls linken Berufsalarmisten15 zur vorgeblichen Beunruhigung gereichen, ist ihr selbstgemachtes Leiden.

Klarzustellen ist, daß es sich bei »der Neuen Rechten« mitnichten um eine epigonale Umkehrung der 1968er-»Kulturrevolution« gehandelt hat und handeln darf. Mit Revolution von rechts?16 liegt hierzu bereits seit mehr als 40 Jahren das quellensatte Grundlagenwerk eines Zeitzeugen vor, dessen Lektüre jedem Interessierten dringend anempfohlen sei – es hat überdies mit der Studie Die »Neue Rechte«17 des Instituts für Staatspolitik eine bündige Fortsetzung erfahren.

Der parlamentarische Weg als Sackgasse

Die Ursprünge dessen, was später das Etikett »Neue Rechte« angeheftet bekommen und es teils selbstbewußt18, teils heftig widerstrebend19 tragen sollte, liegen in Deutschland deutlich weiter zurück als das angebliche Epochenjahr 1968.

Bereits wenige Jahre nach Gründung der Bundesrepublik unter westalliierter Kuratel scheiterte der Versuch, unter Bedingungen der Lizenzpolitik klassisch rechte Politik zu betreiben:20 Am 23. Oktober 1952 erließ das ein Jahr zuvor gegründete Bundesverfassungsgericht das erste Parteienverbot der BRD gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP). Diese war im Herbst 1949 um drei NS-»Vorbelastete« herum entstanden, die als »Gemeinschaft unabhängiger Deutscher« durch ein taktisches Wahlbündnis in den ersten Bundestag eingezogen waren. Die SRP befleißigte sich einer politischen Selbstinszenierung, die heute wohl als »Populismus« bezeichnet würde: Sie positionierte sich als Sprachrohr der von Vertreibung und Entnazifizierung Betroffenen und gesellschaftlich Abgehängten, agitierte gegen die Besatzungsmächte und appellierte besonders intensiv an ehemalige NSDAP- sowie Wehrmachtsangehörige.

Wesentlicher Propagandist war Otto Ernst Remer, der als Kommandant des Berliner Wachbataillons den Putschversuch vom 20. Juli 1944 in der Reichshauptstadt niedergeschlagen hatte. Remers provokante öffentliche Auftritte und das offene Anknüpfen von SRP-Veranstaltungen an historische politische Ästhetik machten die kleine Partei schnell international bekannt und sorgten besonders bei den amerikanischen Besatzungsbehörden für Verstimmung. Damals formierten sich auch die ersten »breiten Bündnisse« – »Antiradikalistische Fronten« vom DGB bis hin zur nationalkonservativen Deutschen Partei (die das Abwandern ihrer Klientel zum radikaleren Konkurrenten befürchtete), die zahlreiche SRP-Wahlkampfveranstaltungen sprengten oder ihre behördliche Schließung erzwangen.

Letztlich war es aber der bedenklich anwachsende Wahlerfolg der SRP, der das von ihr unablässig attackierte »Bonner System« zum Durchgreifen zwang: 1951 zogen die »Reichssozialisten« mit 16 Sitzen in den niedersächsischen Landtag und mit acht Sitzen in die bremische Bürgerschaft ein. Am 20. November beantragte die Bundesregierung die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG, der 13 Monate später entsprochen wurde. Auch wenn dieses Verfahren zusammen mit dem fast zeitgleich beantragten, doch erst 1956 erfolgten Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands vor allem die Gegner der von Adenauer seit 1949 forcierten Westintegration der Bundesrepublik und insbesondere der bevorstehenden Wiederbewaffnung ausschalten sollte, war doch die Warnung unmißverständlich: Das damalige westdeutsche Machtkartell aus CDU/CSU, SPD und FDP würde keine parteiförmige Fundamentalopposition dulden und sich gegebenenfalls des BVerfG als Instrument bedienen.

Bereits wenige Wochen nach dem SRP-Verbot folgte ein weiterer »Skandal«: In der Nacht zum 15. Januar 1953 wurden unter Berufung auf Alliierte Vorbehaltsrechte die führenden Mitglieder des sogenannten »Naumann-Kreises« von der britischen Militärpolizei festgenommen. Bei dieser diffusen Gruppe ehemaliger NS-Funktionsträger um den letzten Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Werner Naumann, sollte es sich angeblich um eine Verschwörung zur Infiltration der maßgeblichen bundesrepublikanischen Parteien handeln, insbesondere der seinerzeit mit einem starken nationalistischen Flügel versehenen FDP.21 Fest steht, daß mit der Zerschlagung des »Naumann-Kreises« nach dem Versuch der Etablierung einer radikal rechten Oppositionspartei auch der Versuch der nationalen »Kaperung« einer bereits bestehenden Volkspartei krachend gescheitert war.

Überdies verband bereits SRP und »Naumann-Kreis« die wesentliche Gemeinsamkeit beinahe aller rechtsalternativen Parteienversuche in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich die »mangelnde Staatsfreiheit«22 der jeweiligen Organisationen. Seinerzeit handelte es sich um den Juristen Rudolf Aschenauer, der als Verteidiger in den Kriegsverbrecherprozessen der Siegermächte sowie durch Gefangenenhilfe und Revisionsbemühungen gegen die Urteilssprüche der Tribunale bekannt geworden war.

Somit offenkundig in hohem Maße für »die Sache« engagiert, wurde Aschenauer Anfang der 1950er Mitglied des »Naumann-Kreises« sowie Anwalt und Vertrauensmann des SRP-Vorsitzenden Fritz Dorls. Gleichzeitig stand er seit Frühjahr 1952 nicht nur in Kontakt zu Kanzler Adenauer, sondern war außerdem inoffizieller Mitarbeiter des Ende 1950 durch die Westalliierten aufgebauten Bundesamts für Verfassungsschutz. Nachdem SRP und »Naumann-Kreis« beseitigt waren, wurde Agent Aschenauer abgeschaltet und konnte sich wieder seiner Tätigkeit als »West Germany‘s big-wheel ultranationalist attorney«23 zuwenden, die ihn in einschlägigen Kreisen bis zu seinem Tod als bewährten Kameraden gelten ließ.24

Die westdeutsche rechte Dissidenz ohne notwendigen Hang zur NS-Nostalgie mußte in der Folge neue Wege der politischen Arbeit finden. Diese Suche nach neuen Ufern führte geradewegs in den vorpolitischen Raum.

Junge Rechte – »Neue Rechte«

Eine Vorreiterrolle hierbei kam dem 1956 in Heidelberg gegründeten, nach eigenem Bekunden für die Souveränität des geeinten deutschen Volks in einem vereinigten Europa eintretenden Bund Nationaler Studenten (BNS) zu. Diese erste auf die Sammlung und Fortbildung »der von keiner Vergangenheit belasteten, suchenden Hochschuljugend«25 ausgerichtete und sich dabei auf die »Studentenbewegungen« von 1813 und 1848 berufende26 Organisation wurde zwischen Januar 1960 und März 1961 in allen westdeutschen Bundesländern verboten. Was die Repression überdauerte, war die BNS-Zeitschrift Student im Volk, die rechtzeitig herausgelöst und in Deutscher Studenten-Anzeiger. Unabhängiges Forum Deutscher Hochschüler umbenannt worden war – die zeitweilig auflagenstärkste Studentenzeitung der BRD.

Im Umfeld dieser rechten Diskussionsplattform sowie ihrem »europanationalistisch« und antistalinistisch orientierten Ableger, dem informellen Hamburger Theoriezirkel »Legion Europa«, fielen bereits Anfang der 1960er Jahre Wortführer wie Hartwig Singer, Gert Waldmann oder Alexander Epstein (das sind Henning Eichberg, Wolfgang Günther und Sven Thomas Frank) auf, die durch ihr betont modernes nationales wie soziales Revolutionärstum für Furore sorgten. Hinzu gesellten sich orthonyme Autoren wie Lothar Penz und Wolfgang Strauss, die zusammen mit Eichberg nachhaltige Hebammenarbeit bei der Heraufkunft »neuer Rechter« heutigen Zuschnitts leisten sollten – wiewohl seinerzeit die Selbstbezeichnung als »junge Rechte« üblicher war, soweit man sich überhaupt selbst derart festlegte.

Denkbar, daß der spätere Soziologieprofessor Robert Hepp an genau diese »jungen Rechten« dachte, als er unter dem Eindruck der im April 1962 mit einem Essay von Armin Mohler begonnenen Debattenreihe »Was ist heute eigentlich konservativ?« in der westdeutschen Politik- und Kulturzeitschrift Der Monat27 einen Leserbrief verfaßte, der als eigenständiger Meinungsbeitrag abgedruckt wurde. Hepp stand damals kurz vor dem vorläufigen Abschluß seines Studiums an der Universität Erlangen und war gemeinsam mit seinem Bruder Marcel Leiter der Studentengruppe »Konservative Front«28, die dort wie zuvor bereits ab 1958 an der Universität Tübingen die »politisch-medialen Kampfmethoden«29 der damals noch kaum ausgeprägten linken Studentenbewegung vorweggenommen hatte. Zeitgleich studierte auch Sven Thomas Frank in Erlangen, und zwar bei Hepps späterem Doktorvater Hans-Joachim Schoeps – eine Bekanntschaft der beiden ist nicht auszuschließen.

Es waren von der Bundesrepublik als solcher entfremdete Jugendliche, »neue Rechte«, um die sich Hepps Einsendung wesentlich drehte. Er begriff die Monat-Debatte als selbstgefälliges, realitätsfernes Geschwätz »Konservativer« auf dem Weg in die geschichtliche und politische Bedeutungslosigkeit, und sein hochverdichteter Leserbrief zielte ausdrücklich darauf ab, »die Unmöglichkeit des Begriffs ›konservativ‹ zu entlarven«30.

Neben der Absage an Versuche einer parteipolitisch inszenierten »Wiedergutmachung« des Nationalsozialismus auf finanzieller oder gesellschaftlicher Ebene postulierte Hepp einen sich in der deutschen Jugend formierenden Unwillen gegenüber dem antithetischen Verhaftetsein der Bundesrepublik in ihrer Vorgeschichte: »Die junge Generation […] wehrt sich gerade gegen den historischen Narzißmus, der sich am Ende immer als perverser Nazismus entpuppt. Aus ihren Reihen hört man immer häufiger den Vorwurf, die Bundesrepublik stagniere in fauler Reaktion. Die Jugend steht bekanntlich nie auf der Seite des status quo; und ein vom Moos der Vergangenheit überwuchertes Staatsgebilde wird gleich gar nicht ihre Sympathie gewinnen. […] Die besten, vor allem die Studenten, stehen abseits, üben politische Abstinenz oder gefallen sich in frisch-fröhlicher Opposition. Die meisten schweigen.«31

Wohl scheine es, als sei das politische Interesse und der Wille zur politischen Artikulation unter den jungen Menschen weitgehend zum Erliegen gekommen. Darunter aber brodle es: »Sie fluchen und schimpfen wie die Rohrspatzen […] auf die Demokratie und die Bundesrepublik. […] Diese großen Schweiger haben ihre Sprache noch nicht gefunden. […] Sie kennen die Frageverbote einer freiheitlichen Demokratie und ihre fast verfassungsmäßig verankerte Sprachregelung. Weil sie aber gleichzeitig ihre Schwächen durchschauen, halten sie sich von den vielen Diskussionen fern, die unser Staat zum Beweis der Freiheit so unermüdlich organisiert.«32

Für Hepp waren dies »die neuen Rechten«; »neu« nicht im Sinne einer Wiederkehr des Gedankenguts »konservative[r] Restaurateure und Reaktionäre«33, sondern aufgrund des ganz eigenen Charakters ihrer von der bundesrepublikanischen Scheinheiligkeit desillusionierten Anschauungen. Konstitutiv für diese »neuen Rechten« seien allein ihre wiederkehrenden Friktionen mit dem »›System‹« – darüber hinaus seien sie politisch weitgehend heimatlos, hätten diverse Selbstbilder und Subkulturen vergeblich durchprobiert, sich letztlich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner des »Widerstands« besonnen und schwankten nun zwischen heroischer Vereinsamung, innerer Emigration und der vorsichtigen Zusammenkunft mit Gleichgesinnten zu einem allmählich anwachsenden »labyrinthische[n] Netz unterirdischer Beziehungen«34.

Letzte Konsequenz sei eine dissidente Strömung neuer Art, welche »den Kampf gegen das liberale Establishment genauso führen sollte wie den gegen die Linke«35. Entgegen allen Geschreis von »Nie wieder!« werde »der neue ›Konservatismus‹ […] nicht mehr unter der Fahne des Nationalismus marschieren«36, sondern sich in ein linkes Gewand hüllen, um argumentativ auf der Höhe der Zeit zu sein und der erwartbaren behördlichen Verfolgung zu entgehen – ohnehin seien die klassischen politischen Lagerbegriffe längst bedeutungslos:

»Links oder rechts, das heißt hier und heute: Kollaboration (und dazu gehört im freien Westen auch die bloße Opposition!) oder Widerstand. Entweder geht man mit der Zeit und wählt SPD, oder man wählt gar nicht, wenn man keine Wahl hat. Dann befindet man sich allerdings schon hors la loi, im Todesstreifen, auf sich selber gestellt«37 – ein deutlicher Anklang an die zu erwartenden »offene[n] oder in generellen Umschreibungen versteckte[n] Arten der Ächtung, des Bannes, der Proskription, Friedloslegung, hors-la-loi-Setzung, mit einem Wort, der innerstaatlichen Feinderklärung«38 gegenüber dem politischen, »totalen« Feind, eben gegenüber jenen das parteipolitische System der Bundesrepublik ablehnenden Widerständlern.

Hepps provokative Wortwahl, sein Hohn über Linke ebenso wie über Konservative sowie der süffisante Schlußverweis auf ein »lustig zu lesen[des]« Kleinkampfhandbuch aus der Schweiz, das »weitverbreitet« sei,39 legen Zeugnis ab über das Selbstverständnis des damaligen studentischen Aktivisten nichtlinken Zuschnitts: intellektueller Widerstandskämpfer von rechts in progressivem Sinne zu sein, zum »Waldgang auch ohne Wald« bereit und ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Konventionen der Bundesrepublik in ihrer »ideologischen Überfremdung«.40

In der unmittelbaren Folge sollten diese scheinbaren »großen Schweiger« der studentischen Linken umfangreich vorführen, wie eine revolutionäre Publizistik auszusehen hatte.

»Neue rechte« Nationalrevolutionäre gegen Blockdenken und deutsche Teilung

Wesentlicher Anstoß zur Verschärfung des jungen rechten Tons war der Mauerbau 1961. Dies lag nicht zuletzt daran, daß die vorderste Reihe der aufstrebenden Theoretiker oft ein innerdeutscher Fluchthintergrund verband – Henning Eichberg etwa stammte gebürtig aus Schlesien, hatte seine Kindheit in der sowjetischen Besatzungszone verbracht und war 1950 mit seinen Eltern von dort nach Hamburg geflohen, während der in Lettland geborene Volksdeutsche Wolfgang Strauss 1950 mit 19 Jahren als Angehöriger eines liberalen Dissidentenkreises von der SMAD erst zum Tode, dann zu 50 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden war und die folgenden dreieinhalb Jahre im Gulag von Workuta zugebracht hatte.

Grundsätzliches Movens dieser Nachwuchsrechten war dabei aber nicht der holzschnittartige Antikommunismus nach Art der US-Propaganda des Kalten Kriegs, wie ihn die konservative, »alte« Rechte in ihrem Ringen um gesellschaftliche Anschlußfähigkeit seinerzeit pflegte, sondern vielmehr die Ablehnung des vorherrschenden Blockdenkens zugunsten einer »multipolaren Weltordnung«41.

In der Tradition des Nationalneutralismus der frühen 1950er Jahre wurde dabei mindestens die Konzeption eines starken, idealerweise geschlossenen Europa verfochten, welches das zumindest in der Theorie weltmörderische Gefahrenpotential des Ost-West-Konflikts hätte ausbalancieren können. Bei der Aus- und Weiterbildung dieses Ideologems, das sich letztlich in Entwürfen wie »Befreiungsnationalismus«42 sowie dem bis heute vielfältig mißverstandenen Ethnopluralismus43 manifestieren sollte, kam den kühnen Entwerfern unter den »jungen« bzw. »neuen Rechten« – allen voran Henning Eichberg – eine »altrechte« Prägung zugute, nämlich die durch das Projekt Nation Europa.

Diese Zeitschrift war bereits 1951 in Coburg entstanden, erreichte zeitweise eine monatliche Auflage von 10 000 Exemplaren und war zumindest in ihren ersten zwei Jahrzehnten durch den Herausgeber und leitenden Redakteur Arthur Erhardt dem »paneuropäischen« oder »eurofaschistischen« Geist der Waffen-SS44 verhaftet – im Sinne einer verbindenden gesamteuropäischen Erhebung gegen Fremdherrschaft von Ost ebenso wie von West her.

Während die Thematisierung national- wie sozialrevolutionärer Strömungen in diversen europäischen Staaten der Zwischenkriegszeit der »Erlebnisgeneration« meist lediglich als Mittel zur Bewältigung der eigenen Biographie diente, nutzte insbesondere Eichberg diese Bezüge auf klassisches nonkonform-rechtes Denken als Sprungbrett zur Entwicklung eines »Neuen Nationalismus«45, der die nationalstaatlichen Grenzen transzendieren und den europäischen Kontinent als gemeinsame Heimat unterschiedlicher Regionalismen innerhalb der gleichen Schicksalsgemeinschaft begreifen wollte.

1964 war die »Legion Europa« in drei unterschiedliche strategische Strömungen zerfallen: eine parteipolitisch-pragmatische (die binnen Jahresfrist daran scheiterte, die CDU zu unterwandern), eine paneuropäisch-aktivistische, deren Berufung auf den Belgier Jean Thiriart mit seinem »Europa der 400 Millionen Menschen« von Lissabon bis zum Ural46 ungehört verhallen sollte, sowie zuletzt die weltanschaulich-theoretische Gruppe um Lothar Penz, welche zur Erarbeitung der Grundlagen eines neuen Nationalismus wie auch eines neuen Sozialismus ab März 1964 die Zeitschrift Junges Forum herausgab. Hinzu trat das sich in die Tradition Preußens und der deutschen Jugendbewegung stellende Blatt Fragmente.

Zusammen mit der ab 1970 erscheinenden Schriftenreihe Junge Kritik und dem Deutschen Studenten-Anzeiger war um 1968 bzw. in dessen unmittelbarem Nachgang das vierblättrige Kleeblatt der »neu-rechten«, nationalrevolutionären Publizistik komplett. Dieser neue Gestus führte auch zum Schulterschluß mit europäischen Brudervölkern – so besuchte Henning Eichberg 1966 ein theoretisch-aktivistisches Zeltlager der Gruppe von Intellektuellen und Aktivisten um die Zeitschrift Europe Action und begegnete dort neben Dominique Venner auch einem gewissen Fabrice Laroche, der nur wenige Jahre später unter seinem bürgerlichen Namen Alain de Benoist bekannt werden sollte.47

Auf der anderen Seite des rechten Binnenspektrums entstanden ab Mitte der 1960er Jahre ebenso Organe eines verjüngten Nationalkonservatismus, die gleichwohl ebenfalls nicht von der noch vor ihrer vollen Blüte stehenden Studentenbewegung beeinflußt waren, sondern vielmehr einer geargwöhnten Infiltration durch östliche Einflußagenten entgegenwirken wollten und dabei unter dem Eindruck des zunehmenden innenpolitischen Reizklimas insbesondere die SPD – ab Dezember 1966 im Rahmen der ersten Großen Koalition immerhin an der Bundesregierung beteiligt – als Fünfte Kolonne Moskaus ausgemacht hatten.

Insbesondere ist hier das ab 1965 erscheinende Organ MUT zu nennen, das lange Zeit mit dem Untertitel Das nationaleuropäische Magazin erschien und gemäß seinem Selbstverständnis als gesamtrechte Sammlungs- und Debattenplattform mit einer Reichweite von bis zu 10 000 Exemplaren monatlich versehen war. Der im März 2018 verstorbene Herausgeber Bernhard Wintzek durfte als Verdienst für sich verbuchen, zumindest bis zur Kehrtwende hin zum systemstabilisierenden Medium ab 198048 insbesondere die internationale Vernetzung wie auch den fortwährenden radikal rechten Aktivismus seines Publikums vorangetrieben zu haben. Eine wesentliche Ausprägung seiner nationalen Agitation war die Mitbegründung des von 1965 bis 1979 bestehenden, in der Anfangszeit stark integrativen »Arbeitskreises Volkstreuer Verbände«.

Als schicksalhaft für die weitere Arbeit der mannigfaltigen »neuen Rechten« in der Bundesrepublik erwies sich jedoch insgesamt nicht erst die bürgerliche Studentenrevolte von 1968, sondern die Gründung der sogar noch bürgerlicheren Nationaldemokratischen Partei Deutschlands am 28. November 1964.

Mahlstrom der Parteipolitik

Die NPD entstand als Notlösung, um diverse unmittelbar vor der Austrocknung stehende Klein- und Kleinstparteien des nationalkonservativen Spektrums bei angestrebter deutlicher Verjüngung des Mitgliederspektrums in einer schlagkräftigen neuen Formation zusammenzuführen. Bei der folgenden Bundestagswahl im September 1965 erreichte die Partei aus dem Stand 2,0 Prozent und zog innerhalb der folgenden drei Jahre vor dem Hintergrund des rapide abschwellenden »Wirtschaftswunders« in nicht weniger als sieben von zehn Länderparlamente der Bundesrepublik (ohne Westberlin) ein.

Aufgrund dieser unerwartet starken Zugkraft sowie ihres ausgeprägten Integrationsanspruchs – so wurde der 1967 gegründete Nationaldemokratische Hochschulbund binnen kurzer Zeit zu der intellektuellen Kaderorganisation für »die Suche nach einer neuen, der nationalen Identität«49 – vermochte es die NPD mühelos, alle bereits vorher vorhandenen und ab 1964 hinzukommenden nationalen bzw. nationalrevolutionären Energien und Humanressourcen mehr oder weniger eng an sich zu binden.

Dabei darf nicht vergessen werden, daß diese integrative Wirkung zugleich eine hegende im Sinne des damaligen Charakters der NPD als bürgerlich-nationalkonservativer Honoratiorenpartei war. Sicherlich nicht ganz von ungefähr, soll doch der seinerzeit wesentlich prägende Vorstandspolitiker und – nach einigen parteiinternen Intrigen – von 1967 bis 1971 Bundesvorsitzende der NPD, Adolf von Thadden, in exakt den vier Jahren seines Vorsitzes bezahlter Einflußagent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 gewesen sein.50 NPD-Mitgründer Wolfgang Frenz, der wie Thadden selbst von der Deutschen Reichspartei herkam, stand ab 1961 fast 35 Jahre lang im Sold des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes; seine Aufdeckung aufgrund von behördlicher Nachlässigkeit Anfang 2002 brachte die Einstellung des ersten Verbotsverfahrens gegen die NPD ins Rollen und verleitete hämische Beobachter zu der – offenkundig nicht falschen – Feststellung, daß es sich bei den Nationaldemokraten um »auch eine Partei der Staatsschützer«51 handele.

In die Zeit des Parteivorsitzes Thaddens fiel der aufsehenerregende NPD-Wahlkampf zur Bundestagswahl 1969 in einer von drei Jahren Großer Koalition (und eben auch den Entwicklungen ab 1968) hochpolarisierten westdeutschen Gesellschaft. Das Resultat war demütigend – die NPD, die fest mit einem Einzug in den Bundestag gerechnet hatte und darin von den Einschätzungen mittig positionierter politischer Kaffeesatzleser bestätigt worden war, kam letzten Endes nur auf 4,3 Prozent. In der Folge machte sie zahllose Metamorphosen durch und mußte sich ab den 1970er Jahren – mit kurzer Unterbrechung – in der politischen Bedeutungslosigkeit oberhalb von Kommunalparlamenten abfinden.

Ein ähnliches Schicksal traf auch viele Zirkel der »neuen Rechten«, die sich im Vorfeld der Wahl mehr oder weniger offen auf die Seite der NPD als »letzter Hoffnung« einer radikal rechten demokratischen Teilhabe geschlagen hatten. Die 1965 aus nationalrevolutionären Reservoirs und Restbeständen der SRP hervorgegangene »Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher« konnte nie aus dem Schatten der Nationaldemokraten heraustreten, auch wenn sie aufgrund ihrer tatsächlichen reaktiven Beeinflussung durch die APO (»Partei der rebellierenden Jugend«) ideologisch interessanter erschien – 1980 sollte sie sich zugunsten der neugegründeten Grünen auflösen.52 Ebenso wirkungslos blieb die 1962 gegründete »Unabhängige Arbeiterpartei (Deutsche Sozialisten)«, die sich mit Eintritt des Theoretikers Wolfgang Strauss in den Vorstand Ende der 1960er vorübergehend dezidiert nationalrevolutionären Standpunkten annäherte.53

Auf der im engeren Sinne »jungrechten« intellektuellen Seite kam es 1972 mit der NPD-Abspaltung »Aktion Neue Rechte« (ANR) zu einem letzten Aufflackern revolutionären Geistes. Gründer der ANR war der ehemalige bayerische NPD-Landesvorsitzende Siegfried Pöhlmann mit dem Ziel, »einen neuen Anfang im Kampf um Deutschland zu setzen, da die NPD ausgespielt habe«54. Zum Verfasser des ANR-Manifests wurde Henning Eichberg erkoren, der zusammen mit seinen Gesinnungsfreunden der neuen Gruppierung anfangs eine in Teilen nationalrevolutionäre/befreiungsnationalistische Programmatik »unterschieben« konnte.

Alle diesbezügliche Hoffnung verflog jedoch bald, nachdem sich Pöhlmann auf der Suche nach zahlungskräftigen Gönnern rasch dem Organisationsdickicht um den National-Zeitung-Herausgeber Gerhard Frey annäherte (für die »jungen Rechten« ein Reaktionär), überschwengliche Bekenntnisse zur Bundesrepublik ablegte und in der bezeichnenderweise Recht und Ordnung getauften ANR-Zeitung jedweden Radikalismus mit aller Entschiedenheit zurückwies. Bereits Anfang 1974 zerbrach die ANR an den Spannungen zwischen nationalkonservativem und nationalrevolutionärem Lager; letzteres sollte bis in die 1980er Jahre hinein in immer kleinere, bedeutungslose Splittergruppen zerfallen.55

Fazit

Unzweifelhaft ist: »Neue« oder »junge Rechte« im Plural traten in der Bundesrepublik bereits lange vor 1968 auf den Plan. Dem von Grund auf kritisierten parlamentarischen Apparat als Radikale ein Greuel, erkannten sie die Bedeutung der Metapolitik und suchten nach außerparlamentarischen Synthesen von Sozialismus und Nationalismus, Wissenschaft und Willenskraft, Nation und Europa, Theorie und Handeln. Ihr Denken war revolutionär, ihre Aktionen provokant – ihre Gruppen wurden zerrieben zwischen ideologischem Sektierertum, parteipolitischen Enttäuschungen sowie dem Verhaftetsein des Großteils der deutschen Rechten in Deutungsmustern und Ideologemen des 19. Jahrhunderts.

Was sie von der bürgerlich-linken Studentenbewegung hätten »lernen« können, wäre allenfalls der selbstvermarktende Flirt mit (jenen gegenüber grundsätzlich wohlwollenden) Medien und Institutionen gewesen. Daß aber eben dieser es nach wie vor nicht wert ist, sich um eines Platzes am politmedialen Katzentisch willen die eigenen Zähne zu ziehen, ist die gültige Lektion der »neuen Rechten« in Deutschland vor und nach 1968 – eine Lehre, die die heutigen Diskurswächter weit besser verstanden haben als die »Neue Rechte« in ihren schillernden Ausprägungen selbst.


Anmerkungen

1. Ingeborg Bachmann: Das dreißigste Jahr, München 2005, S. 66.

2. Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1963, S. 31. Hervorhebungen im Original.

3. Othmar Kolp: »Neue Weltpolitik zwischen Protektionismus, Populismus und Provokationen«, meinbezirk.at vom 15. November 2018.

4. Mercator Forum Migration und Demokratie (Hrsg.): Migration und Populismus. Jahresbericht 2018, Dresden 2018, S. 79.

5. Ibd., S. 180.

6. Ibd., S. 37.

7. Vgl. Isolde Charim: »Populismus geht auch ganz ohne Ausländer«, wienerzeitung.at vom 26. Oktober 2018.

8. Enrico Ippolito: »›Rechte imitieren die Revolte‹«, spiegel.de vom 15. November 2018.

9. Dies ist etwa die Quintessenz der – überaus schlampig verfaßten und erbärmlich übersetzten – Schrift der linksliberalen irischen Journalistin Angela Nagle: Die digitale Gegenrevolution. Online-Kulturkämpfe der Neuen Rechten von 4chan und Tumblr bis zur Alt-Right und Trump, Bielefeld 2018.

10. Vgl. Martin Sellner: Identitär! Geschichte eines Aufbruchs, Schnellroda 2017, passim. Exemplarisch S. 239: »Vergleicht man die vibrierende Kraft noch der 68er-Bewegung mit dem, was heute links wie rechts vorhanden ist, zeigt sich ein verheerendes Bild.«

11. Vgl. Markus Willinger: Die identitäre Generation. Eine Kriegserklärung an die 68er, London 2013, passim. Dieses absurde Manifest stellt notabene keine valide Positionsbestimmung der Identitären Bewegung dar, sondern vielmehr einen frühen – und trotz seiner mangelnden Qualität scheinbar durchschlagenden – Versuch, aus der neu aufkommenden jugendlichen Subkultur Profit zu schlagen.

12. Vgl. Thomas Wagner: Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten, Berlin 2017. Anzumerken ist, daß der von Wagner konstruierte Konnex zwischen »1968« und »Neuen Rechten« zumindest partiell den Erwartungen von Verlag und Publikum geschuldet sein dürfte, da Wagner selbst es besser wissen müßte. Für eine zumindest lesenswerte Kritik (wenngleich »antifaschistischer« Provenienz) seiner Methodik vgl. Volkmar Wölk: »Faszinierende ›Angstmacher‹«, der-rechte-rand.de vom 29. Dezember 2017.

13. Vgl. etwa Ulrich Herbert (Hrsg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, Göttingen 2002; ferner Matthias Frese, Julia Paulus u. Karl Teppe (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Paderborn et al. 2003; zur – realiter vernachlässigbaren – Bedeutung der Studentenbewegung für die Hochschulreform im speziellen Anne Rohstock: Von der »Ordinarienuniversität« zur »Revolutionszentrale«? Hochschulreform und Hochschulrevolte in Bayern und Hessen 1957–1976, München 2010. Daß es sich beim vermeintlichen Revolutionscharakter von »1968« schlicht um eine rückwirkende Rechtfertigung der bürgerlich-konservativen Rechten für ihre eigene Untätigkeit handeln könnte, wurde von radikal rechter Seite übrigens schon bedeutend früher argumentiert – vgl. beispielsweise Hans-Dietrich Sander: »Die 68er Machtergreifung«; in: Staatsbriefe 5/1994, S. 28ff.; ferner Bernd Rabehl: »Nationalrevolutionäres Denken im antiautoritären Lager der Radikalopposition zwischen 1961 und 1980«; in: wir selbst. Zeitschrift für nationale Identität 3–4/1998, S. 113–120.

14. Ganz konkret in Jan Fleischhauer: »›Empörung ist eine Ersatzhandlung‹. Der Soziologe Armin Nassehi über politische Provokationslust, die Trägheit der Gesellschaft und die Frage, ob ein kluger Mensch rechts sein kann«; in: Der Spiegel 2/2019, S. 46–49.

15. Vgl. beispielsweise Susann Witt-Stahl: »Avantgarde des Rückschritts«; in: Hintergrund 4/2018, S. 22ff.

16. Vgl. Günter Bartsch: Revolution von rechts? Ideologie und Organisation der Neuen Rechten, Freiburg i.Br. 1975.

17. Vgl. Institut für Staatspolitik (Hrsg.): Die »Neue Rechte«. Sinn und Grenze eines Begriffs, 2., durchges. u. erw. Aufl., Albersroda 2008.

18. Vgl. etwa Ellen Kositza u. Götz Kubitschek (Hrsg.): Tristesse Droite. Die Abende von Schnellroda, Schnellroda 2015.

19. Vgl. als mustergültiges Beispiel für diesen überreizten Umgang mit dem Attribut Dieter Stein: Phantom »Neue Rechte«. Die Geschichte eines politischen Begriffs und sein Mißbrauch durch den Verfassungsschutz, Berlin 2005. Die Argumentation Steins läßt sich auf die Beteuerung herunterbrechen, daß seine – tatsächlich allenfalls in Werbekampagnen dezent revolutionäre – Zeitung kein Teil einer »Neuen Rechten« sein könne, weil innerhalb der Redaktion niemand so recht wisse, was das überhaupt sei.

20. Vgl. zum folgenden Themenkomplex ausführlich Nils Wegner: »›Schutz vor der falschen Wahl‹ – Parteienverbote in der BRD«; in: Sezession 80/2017, S. 40–43.

21. Für eine oberflächliche Einführung in diese Affäre vgl. Karlheinz Weißmann: »Die ›Nazi-FDP‹«; in: Sezession 39/2010, S. 38f.; eine detailliertere Darstellung findet sich in Beate Baldow: Episode oder Gefahr? Die Naumann-Affäre, Diss. phil., Berlin 2013.

22. So die Begründung des BVerfG für die Einstellung des ersten Verbotsverfahrens gegen die NPD 2003; vgl. 2 BvB 1/01 vom 18. März 2003.

23. Martin A. Lee: The Beast Reawakens, Boston et al. 1997, S. 88. Dieses regelrecht hysterische Buch versucht auf rund 550 Seiten, eine nach 1945 von Otto Ernst Remer, Otto Skorzeny und dem von Oswald Spengler inspirierten amerikanischen Geschichtsphilosophen Francis Parker Yockey begründete »faschistische« Weltverschwörung nachzuweisen, und nimmt sich als entsprechend amüsante Lektüre aus.

24. Zur Person Aschenauer vgl. Baldow: Episode, S. 176–194.

25. Robert: »Der ›Bund Nationaler Studenten‹ – Stationen eines Versuchs«; in: Peter Degner (d.i. Peter Dehoust, Hrsg.): Wille zur Zukunft. Zeugnisse denkender Jugend, Leoni 1964, S. 174–206, hier S. 178.

26. Vgl. Robert: »Stationen«, S. 194.

27. Zum näheren Verlauf dieser publizistischen Debatte sowie zum Platz von Hepps Einlassung darin vgl. Nils Wegner: »Mit einem Wort herumhuren. 50 Jahre Konservatismusdebatte: Robert Hepp und die Erledigung des Begriffs ›konservativ‹«; in: Junge Freiheit 36/2012, S. 20. Der Monat war 1948 als BRD-Vehikel einer intellektuellen Verschärfung des Kalten Krieges vom trotzkistischen Journalisten Melvin Jonah Lasky gegründet worden. Seine Finanzierung stammte wesentlich von den US-Besatzungsbehörden sowie von der CIA. Strohmann war die „antistalinistische“ – trotzkistische – Lobbygruppe Congress for Cultural Freedom, Keimblatt der späteren »Neokonservativen«; vgl. Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt … Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg, Berlin 2001.

28. Zur politischen Biographie der Brüder Hepp sowie dem Wirken der »Konservativen Front« (gegründet als »Katholische Front«) vgl. Nils Wegner: Die deutsche Geschichte geht weiter … Die Brüder Marcel und Robert Hepp und ihr politischer Weg in den 1950er und 1960er Jahren, Berlin 2015, insbes. S. 17ff. u. 54ff.

29. Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Taschenbuchausgabe, Stuttgart 2018, S. 127. Der stramm linke Historiker und »Kenner der neurechten Szene« Volker Weiß argumentiert in seiner eigenen »glänzenden Studie« (Claus Leggewie) auffallend eng an Analyse – und Wortlaut – eines Auszugs des in Anm. 28 genannten Buchs entlang (vgl. Nils Wegner: »Alter Rechter, junger Rechter, kein Rechter – Mohler, Hepp, Strauß«; in: Sezession 67/2015, S. 8–11), den er nach inhaltlicher Aneignung aber sogleich als Apologetik verwirft; vgl. Weiß: Revolte, S. 125ff. Selbst die Formulierung von den »Kampfmethoden« ist ohne Angabe direkt übernommen aus dem in beiden »neurechten« Texten nachgewiesenen Buch von Hans-Dieter Bamberg: Die Deutschland-Stiftung e.V. Studien über Kräfte der »demokratischen Mitte« und des Konservatismus in der Bundesrepublik Deutschland, Meisenheim am Glan 1978, S. 423.

30. Karlheinz Weißmann: Armin Mohler. Eine politische Biographie, Schnellroda 2011, S. 128.

31. Robert Hepp: Leserbrief; in: Der Monat 168/1962, S. 86–92, hier S. 88.

32. Ibd. Wenig anders wurde von den aktiven Nationalrevolutionären selbst formuliert: »Die Jugend dieses Landes hat es satt, von Händlern, Manipulanten und innerlich vergreisten Schwätzern regiert zu werden. Gleich unter welcher Fahne.« (Michael Meinrad [d.i. Uwe-Michael Troppenz]): »Skizze eines dynamischen Nationalismus«; in: Nationalismus heute, Hamburg 1970, S. 97–110, hier S. 109. Kursivierung im Original.)

33. Hepp: Leserbrief, S. 88.

34. Hepp: Leserbrief, S. 90.

35. Karlheinz Weißmann: »Robert Hepp«; in: Erik Lehnert u. Karlheinz Weißmann: »Rechte Intelligenz«; in: Sezession 38/2010, S. 36–43, hier S. 39.

36. Hepp: Leserbrief, S. 91.

37. Ibd.

38. Schmitt: Begriff, S. 47. Hervorhebungen im Original.

39. Hepp: Leserbrief, S. 91f.

40. Hepp: Leserbrief, S. 90.

41. Für eine frühe Skizze dieses Entwurfs vgl. Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht, Berlin u. Wien 1939; ferner ders.: Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950. Ein zeitgenössischer Bezug auf dieses Denken findet sich etwa bei den geopolitischen Stellen in Alexander Dugin: Die Vierte Politische Theorie, London 2013, samt der u.a. von Identitären aufgegriffenen These, daß »Faschismus«, Sozialismus und Liberalismus zugunsten einer vierten Kernideologie zu entsorgen seien. Diese Schlußfolgerung findet sich allerdings bereits in Resümees ehemaliger Nationalrevolutionäre der alten Bundesrepublik, vgl. Lothar Penz: »Die 68er sogenannte ›Neue Rechte‹ und die amputierte Republik von 1998«; in: wir selbst. Zeitschrift für nationale Identität 3–4/1998, S. 84–88.

42. Vgl. Wolfgang Strauss: Trotz allem – wir werden siegen. Wsjerowno – myi podedjim! Nationalistische Jugend des Ostens im Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus, Stalinismus und Arbeiterunterdrückung. Fakten, Augenzeugenberichte, Lehren, München 1969.

43. In »neurechten« Kreisen wird das scheinbar friedenschaffende und -sichernde Konzept des Ethnopluralismus gern zum Instrument gegen das Grundübel des (Werte-)Universalismus verklärt. Ein virulenter Trugschluß: Realer Ethnopluralismus ist, wenn überhaupt, gar nicht unter anderen als universalistischen Vorzeichen denkbar. Die gesamte Denkfigur fällt in sich zusammen, sobald eine einzige betroffene Ethnie nicht zum »Mitspielen« bereit ist. Beispielhaft für diese falsche Dichotomie ist bedauerlicherweise ausgerechnet das Postulat von Martin Sellner: »Ethnozentrismus, Ethnopluralismus, Universalismus«, sezession.de vom 19. April 2017.

44. Vgl. zu diesem komplexen Thema grundlegend Hans Werner Neulen: Eurofaschismus und der Zweite Weltkrieg. Europas verratene Söhne, München 1980.

45. Diese Formulierung griff nicht von ungefähr auf ein bereits in den 1920er Jahren in der nationalrevolutionären Intelligenz verbreitetes Ideologem zurück; vgl. als knappe Einführung hierzu Stefan Breuer: »Nationalismus und Nation II: Neuer Nationalismus (Stapel, Boehm, Freyer, Jünger)«; in: ders.: Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871–1945, Darmstadt 2010, S. 92–95.

46. Vgl. Jean Thiriart: Das vierte Reich: Europa, Brüssel 1966.

47. Vgl. Bartsch: Revolution, S. 20f.; ferner rückblickend-relativierend Henning Eichberg: »Volk, folk und Feind. Grenzüberschreitungen – und eine umstrittene politische Biographie«; in: wir selbst. Zeitschrift für nationale Identität 1–2/1998, S. 24–53, hier S. 45f.

48. Vgl. hierzu im besonderen und der Publikation im allgemeinen Katja Eddel: Die Zeitschrift MUT – ein demokratisches Meinungsforum? Analyse und Einordnung einer politisch gewandelten Zeitschrift, Wiesbaden 2011.

49. Thor v. Waldstein: »Der NHB – die Speerspitze«; in: Gerd Knabe (Hrsg.): 20 Jahre NPD. Porträt einer jungen Partei, Knüllwald-Nausis 1984, S. 66f., hier S. 67.

50. Vgl. John Hooper: »Neo-Nazi leader ›was MI6 agent‹«, theguardian.com vom 13. August 2002; vgl. ferner BT-Drucks. 17/13394 vom 10. Mai 2013, S. 24f.

51. Georg Bönisch et al.: »Blamiert bis auf die Knochen«; in: Der Spiegel 5/2002, S. 22–28, hier S. 22.

52. Vgl. ausführlich Richard Stöss: Vom Nationalismus zum Umweltschutz. Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik, Opladen 1980.

53. Vgl. Manfred Rowold: Im Schatten der Macht. Zur Oppositionsrolle der nicht-etablierten Parteien in der Bundesrepublik, Düsseldorf 1974, S. 252–261. Darin wird die UAP wohlweislich einer »volkssozialistischen Rechten« zugeschlagen, die AUD hingegen als Beispiel für eine »national-neutralistische Rechte« gehandelt.

54. Bartsch: Revolution, S. 145.

55. Mit Entstehen und Vergehen der ANR setzt die vom Institut für Staatspolitik erarbeitete Studie Die »Neue Rechte« ein (vgl. Anm. 17). Hervorgehoben sei allerdings, daß auch diese Begriffsklärung im Wortgebrauch des politischen Gegners verhaftet bleibt. Die im vorliegenden Text thematisierten Strömungen werden lediglich in Nebensätzen gestreift. Statt dessen wird einer »volkskonservativen« politischen Selbstverortung der ausdrückliche Vorzug gegeben. Beispielhaft dafür steht seit Anfang der 2000er die liberalkonservative Wochenzeitung Junge Freiheit.

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